eine ganz persönliche Reise

Gedanken über Phil Ochs und ‘Dubliner Möchtegernphilosophen

der nachfolgende Teil entstand als erstes überhaupt und brachte mich auf die Idee, über die gesamte Reise einen Bericht zu schreiben.

Als Phil Ochs starb, wusste ich nicht einmal, dass es ihn gab.

Aber heute, wo ich um ihn weiß, seine Lieder immer wieder und immer wieder anhöre, erschreckt es mich, dass er so fühlte wie ich. Wenn ein Mann so fühlen kann wie eine Frau und wenn ein Amerikaner so sein kann wie eine geschichtslose Deutsche. Geschichtslos bin ich, so geboren. Weil wenn ich eine Geschichte hätte, mich die Schuld ersticken würde. Jeden einzelnen Moment in dem ich lebe.
13 Jahre war er vor mir geboren und seine Stimme und seine Worte bringen mich heute zum Weinen, wenn ich sentimental, nachdenklich bin. Machen mich wütend, zornig, wenn ich beginne nachzudenken. Lassen mich verzweifeln oder besser sie drücken meine Verzweiflung aus.
Seine Ironie, sein sanfter Sarkasmus lässt mich lachen. Die Worte sind wahr. Sie sind ich. Und ich weiß, wie lächerlich das klingt. Und er starb, bevor ich wusste, dass es ihn gibt. Gegeben hat.
Als ich das erste Lied von Phil Ochs hörte, erinnerte seine Stimme mich an eine andere, die fast gleich geklungen hatte.

Ich komme nach Dublin, zusammen mit diesem blassen Jungen, den ich eigentlich verachte, weil er nicht wahrhaftig ist. Mehr Hülle als Person. Ich bin genervt und weiß, dass dies ungerecht ist. Wir gehen durch eine Straße in Dublin, fragen nach einer Herberge. Und ich komme mir fast vor wie Maria, obwohl ich weder jungfräulich noch schwanger bin. Ein Mann, ein noch fast junger sitzt auf einem Küchenstuhl vor einem Haus und weist uns den Weg zu einer Pension. Er bittet uns, zurückzukommen, wenn wir dort Unterkunft gefunden haben, wir könnten uns doch ein wenig unterhalten. Ich misstraue ihm, ich will das nicht.
Aber Höflichkeit “er hat uns doch eingeladen..” zwingt mich dazu. Dabei gibt es überhaupt kein uns. Ich will nur fort auf meine Fähre und verfluche, dass ich zugesagt habe, mit nach Dublin zu kommen.

Der Mann, dem ich misstraue, bittet uns in Haus und führt uns in ein verqualmtes Arbeitszimmer. Er forscht uns aus. Wir seien doch Deutsche, das merke man am Dialekt. Er lese gerade über den Holocaust. Wie wir dazu stünden. Über all die vergasten Kinder und deren Mütter und Väter dächten. Und wie wir damit leben könnten. Und der blasse Junge aus Hamburg antwortet höflich. Gibt Beteuerungen ab, erstickt in Worten. Ich gebe das Zuhören auf und verachte sie. sie beide. Was ich dazu sagen würde? Der Junge zupfe mich am Ärmel, ich sei gefragt worden.

Ich sehe ihn an – diesen Mann – der sein Buch in dem das alles steht – mir entgegen streckt. Anklagend. what you think about this.

Und ich bin ehrlich. Dass es ihn einen bloody fuck angeht, wie ich dazu stehe, ob mich das belastet. Welches Recht er habe, mir solche Fragen zu stellen?
Und er – als offenkundiger Abstammling der british bastards, die dieses Land geknechtet hätten, wie er wage andere Menschen nach deren Schuld zu befragen. Wie er glauben könne, dass ein noch nicht einmal geborenes Kind Schuld an irgendwas haben könne. Die Erbsünde – egal ob die des Menschen generell oder der Deutschen im Besonderen – diese moralische Messlatte wirklich angelegt auf Menschen, die zufällig des Weges daher kommen?

Er streitet nicht ab, kein wirklicher Dubliner zu sein. woher ich das wisse?
“Instinkt”, antworte ich.

Der Junge windet sich, wie ich all das sagen könne und nur knapp vermeide ich die passende Antwort: Mit meinem Mund! Ich bin jetzt in der Stimmung zu sagen, was ich denke, laut. Und antworte – dass es mich jeden wachen Moment, wo ich drüber nachdenke mit Grauen und Entsetzen füllt. Dass ich in Paris in einer Erinnerugnsstätte gewesen sei und mich eine nicht zu benennende Angst gepackt hat, die mich seither begleitet. Ob es das sei, was er hören wolle?
Und ob er auch wissen wolle, wie es meiner Familie ergangen sei, was sie erlebt, vielleicht erlitten hätte. Ob er denn so pauschal wisse, ob ihm Abkömmling von Tätern oder Opfern gegenüber stehe.
Nein, das wisse er nicht, antwortet er. Es interessiere ihn, wie junge Deutsche damit umgehen würden. Der Junge gibt Worte ab, der Demut, der Nachdenklichkeit, der “wir wissen, was war”.
Was ich dazu sagen würde? Auch wenn ich ihn hassen würde, dies nteressiere ihn. Was mich dazu bringt zu lachen.

Hass? Mit Sicherheit nicht. Gelten die Rechte des Menschen – jedweden Menschen – nicht auch für mich? Kann ich nicht frei reden, mit wem ICH frei reden will? Und schweigen, wenn ich schweigen möchte? Und ob er es ertragen könne, wenn ich mit ihm reden würde, darüber, was ich wirklich denke, das würde ich bezweifeln.
Und bei all fair means – dass ich Möchtegernphilosphen ziemlich verächtlich fände. Wer weiß, was er redet und was er fragt, der tue dies. Ansonsten schweige er.

Diesmal lächelt er, ob es nicht bekannte Eigenart des Dubliners sei, egal, ob des gebürtigen oder hinzugekommenen, zu philosophieren? Als der Junge etwas sagen will, bringt er ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. Seine Augen fordern mich auf, etwas zu sagen.
Fast hätte er mich zum Lächeln gebracht. Oder hat er? Wenn ich Ulysses glauben würde, wäre der Dubliner an sich ein sehr wechselhaftes Wesen, gebe ich zur Antwort.

Mein Nichtfreund drängt nun zum Aufbruch, es sei schon spät.
“ich habe euch nicht einmal etwas zu trinken angeboten, ich bin ein schlechter Gastgeber”. Da ich kein Gast in diesem Hause sei, sei das nicht schlimm, erwidere ich, was ihn zum Lachen bringt und den anderen weißer werden lässt.
An der Tür umarmt er mich und bietet ihm die Hand, bedankt sich für das Gespräch.

“Warum hat der dich umarmt? Du warst so fürchterlich unhöflich”
“ich war ich” sage ich nur und in der Nacht, als er in seinem Unterzeug auf mir liegt, erregt, sich herumwälzt und mehr will, überkommt mich große Übelkeit, ich stoße ihn von mir fort und gehe ins EtagenBad, bis er eingeschlafen ist.
Am frühen Morgen läuft die Fähre aus dem Hafen, ich bin so froh, lege meinen Kopf auf die überkreuzten Arme und träume meinen eigenen Traum.

About Sternenstaub

nothing worth to know
This entry was posted in Irland. Bookmark the permalink.

Leave a Reply