Hüllen

“meine Freundin hat einen Waschbrettbauch, meine Freundin war- so lustig sich das anhört – früher Mannequin.” “Ich wollte sofort nach meinem Babybauch wieder so schlank sein wie früher.” “Meine Nase ist nicht hübsch genug, mein Mann mag  die SChauspielerin X gern, weil sie so total hübsch ist.” “Manche FRauen lassen sicht wirklich gehen, anstatt wieder schlank und gut aussehen zu wollen. Und klar, die Männer suchen sich irgendwann was anderes, wenn die Alte daheim nicht mehr attraktiv ist”. “Und ich würde auch gern wie ein Mann auf die Jagd gehen, ich könnte mir vorstellen, dass mein Mann heute fremd geht, dann dürfte ich das auch.”
“Meine FReundin würde es auch hassen, bei der Schwangerschaft fett zu werden, ok, das ist nunmal so, aber danach….”
Du bist hübsch, ich bin hübsch, seine FReundin ist hübsch.

Manchmal frage ich mich, ob ich normal bin oder eher doch die anderen.
Von einer kurzen Pause in mein Büro kommend, unterhielten sich nach dem Sturm des Terminschlusses, also in der Ruhe die darauf folgt, drei Kolleginnen und ein Kollege in meinem Zimmer. Alle jünger als ich, die Frauen wesentlich hübscher als ich es je war, alle auf eine andere Art seltsam als ich. Der Kollege guter Durchschnitt, recht jung, intelligent, aber zu oft Konflikten aus dem Weg gehend. Thema war Männer und FRauen und Frauen und Männer. Die eine, seit einem halben Jahr Mutter – wieder gertenschlank, meist übermüdet, nervös. Die anderen beiden, wenn auch in der Art sehr unterschiedlich, Mütter, die nun erzählten, was sie heute bewegt und damals, als die Kinder kamen.

Fragmente und schwebende Hüllen und ich versuche meinen Kopf auszuschalten, meine Ohren still zu legen, fast schon verzweifelt ein: “mir war das vollkommen egal nach der Geburt, in welcher Hose ich nachhause komme. Das war und ist doch alles total scheiß egal!!” heraus zu bringen.
Da bin ich umgeben von drei wirklich schönen Frauen und ich sehe nur die hohlen Phrasen, die sie absondern. Sie sind nicht nur hübsch, sie sind dazu auch intelligent, aber ich frage mich, wo sie ihr Herz und Hirn lassen, wenn sie solch Belanglosigkeiten von sich geben. Brad Pitt ist ja so geil, aber nein, die andere mag mehr den Till SChweiger und die dritte diesen Inder, der so einen Schmachteblick hat.
Und alle versuchen den jungen Kollegen zu überzeugen, wie absolut furchtbar die Mutterzeit ist, die Babies zerbeißen die Brustwarzen blutig und Stillen ist ja schon sehr belastend und die Milch rann und dies und das und jenes. Und auch die Schwangerschaft ein Horror, wenn man die Männer und die Kinder nicht so lieben würde, ja dann. Und er solle es sich doch gut überlegen, sich mal Kinder anzsuchaffen.
Und ich frage mich, in was für einem absurden Traum ich gelandet bin.
Meine Schwangerschaften waren erholsam, ich fühlte mich gesund und lebendig, wie ich  aussah war mir dabei und auch nach der Geburt sowas von scheißegal. Es war mir wichtig, dass es dem Baby gut ging, ab und an Schlaf zu finden, habe von Moment zu Moment gelebt. Und nicht darüber Tränen geweint, weil mir die Jeans, die mir vor der Schwangerschaft gepasst hat, nicht eine Woche nach der Entbindung wieder passte.

Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich nie schön war. Ich laufe auch heute wie ein Depp durch die GEgend. Die Haare zu lang, war schon lange nicht mehr beim Friseur, weil das Geld nicht reichte. Ich wechsele zwischen zwei Hosen, denn mehr habe ich nicht und ein Teil meiner Oberteile geht langsam zu Bruch und ich ziehe auch immer noch das Hemd an, welches seit dem missglückten Versuch, etwas zu streichen, einen grünen Farbklecks hat. So what????
Verdammt nochmal, es gibt wirklich wichtigeres als leere fliegende Hüllen. Nämlich Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit und – ja was eigentlich. Persönlichkeit???
Irgendwie scheine ich mir doch noch Gehör verschafft zu haben, verdammt, was habe ich nur gerade gesagt? Man schaut mich an. Mit dem Blick: nu ja du. Ich bin ja die liebe, nette, fette Sternenstaub, immer vermittelnd, meist fröhlich und Rücksicht nehmend. als Person eigentlich gar nicht wahrgenommen oder sehe ich das falsch??

und ich sehe sie jetzt ganz kühl an: “Ich hasse solche Oberflächlichkeiten” und gehe aus meinem Büro und in die Freiheit

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