Reise eines Menschen zu den Menschen

Da mich die Situation im Europa des zu Ende gehenden Jahres 2015 deprimiert und ich dringend irgendeine Motivation (fürs weitermachen und nicht Hoffnung aufgeben) benötige, kam ich auf die Idee des Verbindens von Menschen, auf neudeutsch des Vernetzens. ;) – zumindest in meinem Kopf.
Freunde, Familie, (noch) Fremde.
Wenn das (Mit)menschliche flöten geht, kann man es nur durch das Menschliche zurück gewinnen. Das ist eine neue Erkenntnis für mich und führt mich vielleicht aus der beginnenden Depression.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, mein absolutes Credo. Ich bin ein Kind des Grundgesetzes und mich verstört, wie die erste wirklich demokratische und menschliche Verfassung dieses seltsamen Konglomerats, welches sich Deutschland nennt, immer mehr infrage gestellt und zerstört wird.
Ich suche jetzt keine Schuldigen, nicht, weil ich keine benennen könnte, sondern weil mich das ganz persönlich nicht weiter bringt. Ich kann diese seltsame Gesellschaftsordnung des Kapitalismus, der inzwischen schlimmer als der Manchesterkapitalismus ist, weder zerstören noch wirklich beeinflussen. Achja, heute nennt man das beschönigend Neoliberalismus, wobei das mit liberaler Gesinnung überhaupt nichts zu tun hat, Hirsch und Baum würden vermutlich im Grab routieren, wenn sie sehen würden, wo sich der liberale Gedanke hin entwickelt hat.

Ich brauche ein Ziel, um mich aus dem dunklen Tal des Aufgebens zu befreien und habe deswegen beschlossen Menschen, Momente, Mut zu sammeln und quasi als Banner oder Konzept gegen Hartherzigkeit, Hass und Hochmut vor mich her zu tragen. Auch wenn das pathetisch klingen mag, brauche ich diesen Schutz für mich selbst.
Ich liebe Menschen so sehr wie Landschaften und möchte nun das eine mit dem anderen verknüpfen.
Wenn es mir gelingt, freue ich mich, wenn nicht, dann habe ich wenigstens versucht, meine Stimme zu erheben.

Irgendein Erlebnis muss notgedrungen das erste sein, schwierig, weil es nicht das bewusste “erste” Ereignis gibt. Vielleicht dies hier nun als wichtiger Moment in meiner Erinnerung.
Es war der erste Urlaub, den wir als Familie unternahmen, mit drei Kindern reichte das Geld einfach nicht, um irgendwohin zu fahren. aber jetzt ging es doch hinaus in die Welt und die Welt beinhaltete plötzlich das holländische Friesland für mich. Die Menschen sprachen eine Sprache, die ich nicht kannte, aber das Lächeln und die Gestik ließen mich auf seltsame Art heimisch und fremd zugleich fühlen. Und die Fahrten, die wir drei Schwestern mit dem Ruderboot über die Kanäle unternahmen, bargen einen unbekannten Zauber für mich. So nah war ich noch nie an Natur heran gekommen. Als Stadtkind verzückt all die Wasservögel zu beobachten, förmlich zu spüren wie die Ruder sanft das Wasser durchschneiden, ich fühlte mich so frei und ich glaube, dass dieses Erleben mich ganz stark beeinflusst hat. Das Gefühl der Freiheit kann unbestreitbar süchtig machen.
Unser Bungalow stand ein wenig abseits des Kanals/Fluss? und man ging einige Meter bis zu ihm hin. Dort lag ein altes Hausboot, auf welchem die Eignerfamilie des Geländes und der wenigen Bungalow wohnte. Schräg gegenüber lag ein weiteres Hausboot, auf welchem im Sommer ein älteres holländisches Ehepaar lebte. Eines Morgens kam ich zum Wasser, der jüngste und noch kleine Sohn der Familie weinte und Peta, eine seiner Schwestern, mit der ich mich angefreundet hatte, wir brachten uns gegenseitig unsere Zahlen und andere Worte bei, erklärte mir mit Händen und Füßen, dass Henk irgendetwas ins Wasser geworfen habe, was dem Ehepaar gehöre. Und sie wären nun traurig, Peta schaute dabei ebenfalls traurig, damit ich auch die Dramtik des Ganzen ermessen konnte. Ich überlegte nicht, sondern sprang im Short und Blüschen (ich konnte noch nicht wirklich schwimmen, ein paar Hundepaddelschläge wie mein Vater es nannte) ins Wasser, es reichte mir gerade bis kurz unter die Nase. Unermüdlich tastete ich mnit den Feüßen den schlammigen Boden ab und trat dann in in ein scharfkantiges Metallteil. Anstatt zu weinen – es tat verdammt weh – versuchte ich zwischen meinen Füßen dieses seltsame Teil an die Wasseroberfläche zu bekommen, der dritte Versuch war erfolgreich, es war ein Sieb und ich warf es an Land, kletterte aus dem Wasser, hob es auf und ging mit blutendem Fuß strahlend auf die mir so alt erscheinenden Leute zu und übergab es ihnen. sie sahen sehr ernst drein, dann lächelte der Mann und sagte auf Deutsch: Danke, mein Mädchen. Ich freute mich, lachte sie an und rannte fort, um mit Peta zu spielen. Am Abend befragte mich mein Vater, was denn passiert sei, er habe von meinem Tauchgang gehört. Ich erzählte und plötzlich schmerzte meine Ferse wieder, worauf ich ein Pflaster und einen Riegel Schokolade bekam.
Mein Vater lobte mich, er freue sich, dass ich da so beherzt gehandelt hätte, wo ich doch nicht richtig schwimmen könne, was ich natürlich vehement bestritt und damit meine Eltern zum Lachen brachte. Eltern können so doof sein. Sie wurden wieder ernst und mein Vater erklärte mir, dass dieses Ehepaar ganz schlimme Sachen mit den Deutschen während des Krieges erlebt hätte, er schaute traurig, was mich etwas ängstigte. Mögen die mich nicht, fragte ich erschreckt, weil ich wusste ja durchaus, dass ich aus dem Land mit dem Namen Deutschland kam, aber sie beruhigten mich. Nein, sie hätten extra gesagt, dass sie eine ganz liebe und tapfere Tochter hätten und wer weiß, vielleicht würde ja wirklich eines Tages das alles nochmal gut.
Das ging mir alles oft im Kopf herum, obwohl es noch lange dauerte, bis ich die Hintergründe verstand. Aber offensichtlich hatte mich das Ehepaar etwas ins Herz geschlossen, ab und an schenkten sie mir einen Keks und als ich einmal auch einen für Peta erbat, nein fast schon forderte, weil sie doch meine Freundin war, lachte auch die ernste Frau, lächelte und sagte auf Deutsch: Freundschaft ist etwas schönes, vergiss das nicht. Als ich sie schüchtern ansah, lachte sie unbd sagte: was, du bist manchmal auch schüchtern? – was mich total verlegen machte. Zum Glück erlöste mich Peta aus dieser Situation, weil sie sich begeistert auf den Keks, den ich ihr reichte stürzte.. Wenn ich nachdenke, weiß ich sogar noch, wie sie aussah. Peta meine ich.

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