Manchmal sehne ich mich schier verzweifelt danach Langeweile zu haben. Vielleicht verwechsele ich sie ja mit Muße? Mit Zeit, die nicht hetzt und rast sondern lang wird.
Ich erinnere mich an meine erste Reise ganz allein. Nach Irland sollte es gehen, zum ersten Mal. Flüge waren zu teuer, wer flog 1974 schon dorthin? Also brachte mich der Zug von Duisburg nach Zeebrügge, danach die Fähre nach Dover, der Zug nach London, der nächste nach Swansea und wieder die Nachtfähre nach Cork in Irland. Und es war die Zeit, das Warten überall und stundenlang, die diese Reise zusammenhielt. Der Weg ist letztlich wirklich das Ziel.
Meine zwei Bücher steckten im selbstgenähten Rucksack, meine Finger schienen zu gelähmt, sie herauszuholen und so schaute und schaute und wartete und wartete ich. Menschen, Landschaften, Häuser zogen am Zugfenster an mir vorbei. Dazwischen immer wieder Wartezeiten an Bahnhöfen, Fähren, niemand zum Reden dabei. Aber auch keine Lust darauf, überhaupt den Mund zu öffnen, außer fürs Trinken und Atmen.
Auf die Corkferry wartete ich 6 Stunden. Ich ging den Kai entlang und suchte mir ein Fleckchen Gras, wo ich die SChiffe beim Ein- und Auslaufen beobachten konnte und legte mich lang hin, den Kopf auf den verschränkten Armen. Es schien mir als ob die Zeit in Tropfen vom Himmel fiel und ich fragte mich : langweile ich mich oder was ist das?
Die Zeit nahm in meinem Kopf einen solchen Platz ein, dass ich zu nichts anderem fähig war, als ihr zuzuschauen, wie sie verging. Im allerletzen Moment ging ich erst an Bord der Fähre und fiel in meiner Koje in einen traumlosen SChlaf, an dessen Ende wie ein Geschenk das Einlaufen in den Corker Hafen lag.
Langeweile oder lange Weile?
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Dieses Foto ist an sich in keinster Weise etwas Besonderes, es hat aber eine Geschichte, die wichtig für mich ist.
Als ich im Jahr 2009 in Kur war – ziemlich kaputt und alles andere als gesund – wanderte ich viele Stunden durch das Elbsandsteingebirge.
Als ich im Jahr 2009 in Kur war – ziemlich kaputt und alles andere als gesund – wanderte ich viele Stunden durch das Elbsandsteingebirge.
An einem Tag wollte ich von Krippen nach Königstein wandern. Ich kam an Sandsteingebilden vorher, streifte über einsame Waldwege durch nasse Wälder, wo Schneefelder mit Pfützen und schlammigen Pfaden abwechselten.
Ich kam dann in einen Waldbereich, der fast trostlos in seiner Nässe wirkte, aber irgendwie hatte er auch etwas verwunschenes.
Ich hatte nur meine kleine Cam dabei und wünschte mir, als ich mich zwischen den hohen Bäumen bewegte, ich hätte endlich wieder eine bessere, weil in den Pfützen wunderschöne Sternchenmoose wuchsen und Rinnsale aus den Schneefelder flossen und auf dem Weg Muster bildeten. Überall tropfte und wehte es von den Ästen und es stieg ein wirklich außergewöhnliches und fast schmerzhaftes Glücksgefühl in mir auf.
Und dann sah ich zurück, um all diese Schönheit zu genießen, als ich eben dieses Bild sah.
Ich glaubte nicht daran, dass das Foto etwas werden könnte, aber es reichte ja, wenn es eine kleine Erinnerung an diesen besonderen Moment erhalten würde.
Und da das wirklich ein ganz spezieller Moment war und das für mich das Wesentliche am draußen sein verdeutlicht, habe ich euch diesen Moment aufgeschrieben.